Neuss – Wie erwartet reagieren verschiedene Akteure auf einen Vorstoß von SPD und „Die Linke“ im Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung am gestrigen Mittwoch, den 06.02.2019. Empörung und der Ruf nach Reglementierung erschallen durch den Rhein-Kreis Neuss.
Der Antrag:
Antrag der Fraktionen SPD und Die Linke betr. Zweckentfremdung von Wohnraum in Neuss bekämpfen
- Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, wie viele Wohnungen in Neuss dem Wohnungsmarkt dauerhaft durch eine gewerbliche Vermietung als Ferienwohnungen entzogen werden.
- Darüber hinaus wird die Verwaltung beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten um die Zweckentfremdung von Wohnraum in Neuss dauerhaft zu unterbinden. In diesem Zusammenhang soll auch die Erlassung einer möglichen Zweckentfremdungssatzung geprüft wer den.
- Die Ergebnisse und Vorschläge sind dem Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung zur weiteren Beratung vorzulegen.
” .. Der dauerhafte Entzug von Wohnungen durch die gewerbliche Fremdvermietung ist als Zweckentfremdung von Wohnraum zu bewerten“. so zu finden in dem Antrag.
Dieser Sichtweise schlossen sich DEHOGA und Mieterverein gerne an.
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ist ein eingetragener Verein, mit dem Ziel: „Wir wahren und fördern die ideellen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen unserer Mitglieder.“ Eine private Gästevermietung ist somit ein Mitbewerber auf dem Markt der Übernachtungen. Das Dehoga gerne auf die Vorlage von SPD und Die Linke reagiert, liegt im ureigenen Interesse dieser Institution.
Wie schon gelesen: „.. wahren der wirtschaftlichen Interessen..“.
Dem Mieterverein entgehen mögliche Beitragseinnahmen, daher ist es vorstellbar warum selbiger auch die private Gästebeherbergung negativ beurteilt.
Die Neusser SPD übernimmt diese Forderung offensichtlich einem Vorstoß ihrer Landtagsfraktion vom 11.09.2018. Hier stellen die Genossen fest:
„Für viele Menschen führt diese Entwicklung zur Unbezahlbarkeit des angemieteten Wohnraums und letztlich zu Segregation und Entmischung sozial vielfältiger Wohnquartiere und ganzer Stadtteile. Die daraus erwachsenden negativen Folgen für die Stadtentwicklung sind unter anderem die Entstehung sozialer Brennpunkte, die Beeinträchtigung des sozialen Friedens und der inneren Sicherheit.”
Seit 1966 bis 2017, mit einer Unterbrechung von 2005 bis 2010, regierte die SPD in NRW. Genug Zeit um aufkommende und erkennbare Probleme im Wohnungsbau anzugehen. Was ist diesbezüglich geschehen?
Ferner:
„In diesem Zusammenhang macht zusätzlich die dynamische Entwicklung sogenannter Online-Wohnungsvermittler Sorgen, da diese mit ihrem Geschäftsmodell dem Mietwohnungsmarkt zusätzlich potentiellen Wohnraum für die ansässige Bevölkerung entziehen: Aus Mietwohnungen werden Ferienapartments.“
„Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: fehlende Steuern, weil Privatvermieter ihre Einnahmen oft nicht deklarieren. Und steigende Mieten, weil viele Wohnungen in Metropolen über Airbnb und andere Anbieter an Touristen vermarktet werden – statt sie fest zu vermieten.“
Da besitzt diese Partei auch noch die Frechheit dem Bürger Steuerbetrug zu unterstellen? Mangelnde Verfügbarkeit von Wohnraum liegt nicht im Verschulden einer marginalen Minderheit.
Es wird aber noch wirrer:
„Damit kann die jeweilige Kommune mehr Transparenz herstellen und im Falle eines lokalen Wohnungsmarktes mit akutem Wohnraummangel die Zweckentfremdung durch gewerbsmäßige Vermietung als Ferienwohnraum untersagen.“
Untersagen? Die „Enteignung“ des Eigentümers in einer freie Entscheidung wie selbiger über seinen Besitz verfügen möchte? Das gab es schon einmal und hier ist Widerstand geboten. Zumal der Wohnraum als „Wohnraum” vermietet wird.
Im Ausschuss ließ Roland Sperling (Die Linke) keinen Zweifel am Urgedanken dieses Antrages:
Zitat: „Vermieter sollen daran gehindert werden, einen maximalen Ertrag zu erzielen.“
Ein staatliche Eingriff in das Wirtschaftsleben, mit dem Ziel einer gelenkten Vorgehensweise. Auch dies gab es schon einmal: Welchen 5‑jahres Plan hat Herr Sperling?
Die private Gästeunterbringung in Neuss hat, so die Aussage der Verwaltung, 0,1% Anteil am gesamt verfügbaren Wohnraum.
Es ist, unter normalen Umständen, nicht nachvollziehbar warum jetzt dagegen vorgegangen werden soll. Dieser Meinung waren auch die m Ausschuss vertretenen, weiteren Parteien. Die Verwaltung möge bitte im Herbst 2019 erneut zu den 0,1% berichten lautete der Beschluss und das war eine krachende Niederlage der Antragsteller.
Ein interessanter Nebenaspekt:
Sowohl Neuss Marketing wie auch die beiden Wohnungsbaugenossenschaften bieten Ferienwohnung an. Entweder in einer provisionspflichtigen Vermittlung oder aus eigenem Bestand.
Honi soit qui mal y pense („Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.“)
In diesem Sinne
Robert Schilken – Herausgeber
Lieber Herr Schilken,
vielen Dank für den, meines Erachtens nach, besten Beitrag zu dem Thema Zweckentfremung in den letzten 2 Jahren.
ich bin selbst Anbieter von Ferienwohnungen im Großraum NRW, unter anderem in Neuss und habe ständig Diskussionen mit Anwohnern, Eigentümern und im Freundeskreis darüber, wie böse wir doch sind, dass wir über dieses Konzept:
a) den Hoteliers Marktanteile in einem über Jahrhunderte monopolisierten Markt mit Preisen für Messegäste nach „Gutdünken und Würfelei” abgraben und unter Druck setzen
b) Nachbarschaften kaputt machen, weil ja der „ständige Ein- und Auszug” ganze Strassen kaputt macht.
Hierzu ist zu sagen, dass wir uns zum Glück in einem derzeit noch nicht vom Staat (?!)
reglementierten Markt befinden und wenn man ein gutes und nachhaltiges Produkt auf dem Markt hat, dieses auch gebucht wird und das beste: Die Gäste kommen wieder und sind oftmals länger als 3 Tage bei uns.
Das die Lobbyisten der DEHOGA hier dauernd bei der Politik am Unken sind, ist natürlich klar. Deren Markt ist über Portale wie airbnb, die vorher belächelt worden sind, aufgeweicht worden und die Gäste haben zum Glück nun die Chance für wesentlich weniger Geld in einer vollausgestatteten Wohnung zu bleiben, statt 400 € /Nacht in einem Hotel zu bezahlen, wo die armen Hoteliers sich über Brandschutz, Personalkosten u. ä. dauernd am argumentieren sind, dass airbnb nicht nach „fairen Marktkonditionen” handelt.
Diese Scheinheiligkeit schlägt mir auf den Magen. Natürlich, einen Mieter der langfristig in einem Objekt wohnt, ist natürlich besser für die Nachbarschaft als ein ständig wechselnder Mieter aber die Entscheidung obliegt dem Eigentümer seinen Ertrag zu maximieren oder eben einen Mieter langjährig reinzulassen.
Und bei der Ausrede, dass wir Privatleute ja aus den Einnahmen nichts versteuern würden ist ebenfalls ein scheinheiliges Argument.
Ich versteuere alle Einnahmen, da ich dieses Geschäft nachhaltig und lang durchführen möchte und unterstelle, dass mindestens 95 % der Privatleute die genanntes Konzept ebenfalls durchführen, dies ebenfalls machen, weil sie gar keine Lust auf Stress mit Finanz- oder Gewerbeamt haben wollen.
Weiterhin ist festzuhalten, dass die grundsätzliche Wohnungsnot nicht dem bösen Buchungsportalen zu zuschreiben ist, sondern einzig und alleine der verfehlten Wohnungsbaupolitik und (wieder mal) den Investoren, die ganze Häuser einfach leerstehen lassen haben. Hier muss die Politik reagieren und etwas gegen tun.
Wer hätte das gedacht, dass vor 3 Jahren ein mittlerweile globaler Player, wie Airbnb, der höchstwahrscheinlich dieses Jahr an die Börse gehen wird, den Wohnungsmarkt dermaßen (und vor allem fast unbemerkt) umkrempelt, dass jetzt die Dehoga dauernd bei der Politik sitzt und eine Reglementierung fordert, wo es doch die Hoteliers waren, die sich über einen sehr langen Zeitraum an den Messebesuchern und internationalen Gästen die Taschen dermaßen voll gemacht haben, dass sie überhaupt jetzt dort stehen, wo sie stehen.
Natürlich nehmen wir Anteile vom Wohnungsmarkt weg, dass es 0,1 % sind zweifle ich an, aber nochmal: Wenn Privatleute sich dazu entschließen, Ihr Objekt über Portale wie airbnb zu vermieten, kann und darf der Staat meines Erachtens nach nicht, hier reglementieren.
Ich bin für eine Registrierung von privaten Wohnungsanbietern, damit das Finanzamt checken kann, ob denen nicht doch Steuergelder vorenthalten werden und das Bauamt ebenfalls über die Wohnung schauen kann, um ggf. Brandschutztechnische Aspekte durchzusetzen.
Der freie Markt, wird” schon richten.
Vielen Dank für den ehrlichen Artikel.